Gefühle in der Mediation
Umgang mit Gefühlen in einer Mediation. Manchmal halten sich Gefühle, welche bei den Parteien in einer Mediation aufkommen können, nicht an unseren Mediationsablauf. Sie können im Moment logisch nicht erklärt werden, treffen den/die MediatorIn unvorbereitet. Der Artikel gibt einen kurzen Überblick, wie ein Mediator mit einer solchen Situation umgehen kann.
Woher kommen unsere Gefühle
Ich gehe von folgendem Menschenbild aus (vereinfacht dargestellt):
- Jeder Mensch hat von Geburt an sein eigenes Wertesystem
- Werden diese Werte vermehrt oder blockiert / vermindert, kann ein Mensch dies als prägendes Erlebnis erfahren und im Unterbewusstsein als Erfahrung abspeichern
- Das Unterbewusstsein speichert Erfahrung in Form von Gefühlen und Bildern ab
- Im Alltag auftauchende Trigger können die gespeicherten Gefühle auslösen
Das Schichtenmodell zeigt die möglichen Schichten in unserer Persönlichkeit.
Unsere Gefühle und Emotionen sind aufgrund von prägenden Erfahrungen entstanden, die wir meist (aber nicht immer nur) im Alter zwischen 2 und 15 Jahren gemacht haben. Oft kann sich aufgrund einer Erfahrung eine Angst aber auch andere Emotionen / Gefühle bilden. Damit sind Emotionen und Gefühle ein wesentlicher Bestandteil unserer Persönlichkeit. Wir begegnen Ihnen im Alltag ständig. Zeigt sich ein Gefühl in einer Mediation, dann ist es relevant und wir sollen als Mediationsperson hinschauen.
Wie kann eine Mediatorin/ein Mediator mit Gefühlen in einer Mediation umgehen?
Wichtig ist, dass eine Mediationsperson erkennt, wenn Gefühle bei den Parteien den Mediationsprozess massgebend beeinflussen. Folgende Möglichkeiten helfen dem Mediator im Umgang mit Gefühlen:
Situation 1: Mediator erkennt unterschwellige Emotionen im Verlauf des Mediationsprozesses
Der/die Mediator/Mediatorin soll in einem Einzelgespräch mit dem Klienten unter Verwendung von Ich-Botschaften die eigene Wahrnehmung ansprechen. Beispiel: «Ich habe den Eindruck, dass die Situation bei Ihnen Unbehagen und Angst auslöst. Kann das sein?».
Oft kann sich der Klient dann ohne Gesichtsverlust öffnen und befreiter / gelöster im Mediationsprozess teilhaben. Die Mediatonsperson muss allerdings darauf achten, dass sie ihre Neutralität/Allperteilichkeit nicht verlässt. Sie soll empathisch sein, dabei aber keine Partei nehmen.
Hat der/die MediatorIn den Eindruck, die Situation der betroffenen Partei erfordere einen Unterbruch (zum Beispiel bei Trauer etc), so kann die Mediationsperson dies so veranlassen und mit den Parteien einen neuen Zeitplan erarbeiten.
Situation 2: Gefühlsausbruch während einer Mediationssitzung
Es wichtig, den Gefühlsausbruch zuzulassen und diesen auch auszuhalten. Das gilt für die Parteien wie für die Mediationsperson. Die Mediationsperson anerkennt die Emotionen indem sie diese verbalisiert. Sie zeigt Verständnis für die Situation (Empathie) übernimmt aber keine «Schutzfunktion» und behält dadurch seine Allparteilichkeit. Allein dieser einfache Vorgang vermag der betroffenen Partei rasch zu helfen, sich von den überwältigenden Emotionen zu lösen und wieder ruhiger zu werden.
Sollte eine unmittelbare Fortsetzung der Gespräche schwierig sein, weil sich die Partei nicht von den sie überwältigenden Emotionen lösen kann, kann auch hier die laufende Sitzung unterbrochen oder vertagt werden. Die Mediationsperson sollte (im Falle einer Vertagung) auf jeden Fall danach mit der Partei sprechen. Ich empfehle, in der nächsten Session das Thema nochmals aufzunehmen. Einerseits, um allen Parteien die Möglichkeit zu geben, die damalige Situation und ihre Auswirkungen besser zu verstehen. Andererseits helfen Gefühlsausbrüche dem Kern des Problems näher zu kommen. Emotionen sind das Fenster zum Inneren. Im Konflikt treten die Gefühle, um die es letztlich auch geht, zum Vorschein. Diese Fenster der inneren Wahrheit sind zu nutzen, um sichtbar zu machen, weshalb sich die Parteien verletzt fühlen.
Es ist durchaus auch gut und wichtig, dass die Gegenpartei die Situation miterlebt. Es hilft dabei, die Situation der anderen Partei zu erkennen und zu verstehen. Ich habe schon erlebt, dass gerade dies eine Mediation zu einem schnelleren Abschluss gebracht hat.
Selbstreflektion des Mediators
Als Mediator sollen wir Respekt vor dem Umgang mit den Gefühlen von unseren Mandaten haben. Sollten Sie aber bei sich entdecken, dass Sie als Mediator Angst vor Gefühlsausbrüchen von Klienten haben, hängt das mit Ihren eigenen prägenden Erfahrungen aus Ihrer Vergangenheit zusammen. Vielleicht brauchen Sie eine eigene Aufarbeitung?
Zusammenfassung Umgang mit Gefühlen in einer Mediation
- Aufkommende Gefühle in einer Mediation zulassen und aushalten
- Mediationsperson spricht die Gefühle mit der Partei an, eventuell in einem geschützten Rahmen (z.B. Einzelgespräch)
- Dem Klienten in der Situation Zeit und Raum geben. Oft reichen ein paar Minuten.
- Es hilft, wenn die Gegenpartei die Situation erlebt und die Hintergründe verstehen kann
- Gefühle sind für den Mediator / die Mediatorin zusätzliche Indikatoren, welche auch Handlungsraum verschaffen
David Bärtsch ist Unternehmensberater, systemischer Coach und Mediator. Im systemischen Coaching sind Gefühle von zentraler Bedeutung.