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Zurück ins Büro – wie Mediation helfen kann

Viele von uns sind momentan in der Situation, dass wir zumindest anfangen müssen, uns damit zu beschäftigen, wieder vom Büro aus zu arbeiten – Homeoffice ade! 

Wer hätte das in den Anfängen von Corona gedacht, dass wir uns nicht darüber freuen würden, wieder mehr unter die Leute zu kommen. Jetzt haben wir uns jedoch daran gewöhnt, von zu Hause aus zu arbeiten. Zoom, Teams, etc. sind zu normalen Arbeitsprogrammen mutiert und die Annehmlichkeiten sind uns zu lieben Gewohnheiten geworden. 

Nun aber heisst es, zurück in den Pendelverkehr, zurück zu den geteilten Aufgaben mit Arbeitswelt und Kinderbetreuung, zurück zur Kaffeemaschine im Büro und zurück zu den lieben Kollegen und (mehr oder weniger) kontrollierenden Vorgesetzten. Während wir uns auch hier auf Annehmlichkeiten freuen dürfen (klare Pausen, keine Wäscheberge, die zwischen zwei Calls bearbeitet werden wollen, ein kaltes Feierabendbier mit Kollegen, etc.) stossen wir auch auf oftmals inneren Widerstand, der uns die Rückkehr zum Büro vermiesen mag. Wie organisieren wir uns neu, wieviel Zeit müssen wir mit Pendeln und Business Lunches ‘vertrödeln’, wieviel Kontrolle sind wir wieder ausgesetzt, bzw. wie viel Flexibilität geht uns verloren?

Was hat dies nun aber mit Mediation zu tun? 

Meine Empfehlung ist: Sprechen Sie das Thema in ihrer Firma, mit Ihren Vorgesetzten aktiv an. Legen Sie auf den Tisch, wie sie sich den neuen Arbeitsalltag vorstellen. Wie viel Zeit möchten Sie vor Ort im Büro verbringen, wie viel Zeit weiterhin von zu Hause arbeiten? Sind die Arbeitszeiten flexibel, sodass Sie eventuell nicht zu den Stosszeiten pendeln müssen oder weniger, aber längere Arbeitstage leisten können? Wenn Sie ihre Wünsche nicht äussern, kann das Gegenüber auch nicht darauf eingehen. 

Als nächsten Schritt stellen Sie sich auf Verhandlungen ein – selten werden alle ‘Forderungen’ sofort akzeptiert werden, oft besteht aber die Möglichkeit, eine für alle akzeptable Lösung zu finden. Reden Sie darüber, wann wichtige Meetings anstehen und ob diese tatsächlich nur physisch durchgeführt werden können. Überlegen Sie – gemeinsam – ob an einigen Tagen tatsächlich alle im Büro sein müssen, oder ob das Team aufgeteilt werden kann und nur einzelne Arbeitsgruppen (örtlich und zeitlich flexibel) zusammenarbeiten können. Führen Sie diese Gespräche im Sinne der Mediation – hören Sie aktiv zu und versuchen Sie zu verstehen, warum das Gegenüber auf etwas besteht oder wo flexible Ansätze möglich sind. Beharren Sie nicht auf Ihrer Position (z.B «ich will von zu Hause arbeiten»), sondern legen Sie ihre Interessen und Bedürfnisse dar («es macht die Kinderbetreuung einfacher» oder «ich arbeite konzentrierter», etc.). Das macht Ihre Situation für das Gegenüber verständlicher. Mit diesem Vorgehen werden Sie es bestimmt schaffen, eine gute Lösung zu finden, ohne dass dies in einem Konflikt ausartet, der die Fronten nur verhärtet und kreative Lösungen verunmöglicht. Seien Sie flexibel, überlegen Sie sich, was Ihnen wirklich wichtig ist. Und freuen Sie sich auf die Rückkehr ins Büro und damit auf den Einzug von ein wenig Normalität, auf die wir alle lange genug gewartet haben!

Sollten Sie Unterstützung brauchen, so sind ich und meine Kollegen gerne für Sie da.

Spannende Mediations-Fälle von Klarau (5. Teil)

Mein Mediations-Kollege André Thommen hat die Idee aufgebracht, reale oder fiktive Mediations-Geschichten zu erzählen. Mit Hilfe von spannenden oder lustigen Geschichten könnte die Mediation und insbesondere die Wirtschaftsmediation einem breiteren Publikum nähergebracht werden. Mediation ist eine wunderbare Möglichkeit, Konflikte lösen zu helfen.

Die Basis meiner Geschichten bildet ein Kriminalroman, den ich 2012 unter dem Pseudonym ‚von Klarau‘ geschrieben habe. Der Hauptprotagonist im Roman ‚Schmuggelware‘ – Clement von Klarau – ist Mediator. Im Roman wird Clement ohne Zutun und Verschulden in ein Verbrechen verwickelt. Bei der Lösung des Falles helfen ihm seine Mediations-Fähigkeiten. Daneben geht er nach wie vor seiner Berufung und seinem Beruf als Mediator nach und hilft, Konfliktparteien ihre Auseinandersetzungen einvernehmlich zu lösen.

Die weiteren Episoden finden Sie hier:

1. Teil –
«Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist, zu beobachten ohne zu bewerten»

2. Teil – «Die Kirche sagt, du sollst deinen Nächsten lieben. Ich bin überzeugt, dass sie meinen Nachbarn nicht kennt.»

3. Teil – «Was du ererbst von deinem Vater hast, erwirb es, um es zu besitzen»

4. Teil – «Die Feigheit tarnt sich am liebsten als Vorsicht oder Rücksicht.»

Ich hoffe, Sie haben ein wenig Spass beim Lesen der neusten Episode und lernen dabei vielleicht etwas Neues über die Mediation, wie Mediatoren und Coaches denken und erfahren zudem das eine oder andere «Mediations-Geheimnis».

Hinweis: Da die Originale dieser Mediations-Geschichten in ein Buch eingebettet sind, kann es sein, dass einige Passagen auf Gegebenheiten, Orte oder Menschen hinweisen, die an anderer Stelle im Buch vorkommen. Entsprechend kann der Leser ein paar Details vermissen. Ich traue jedoch den Lesern zu, evtl. fehlende Elemente mit der eigenen Fantasie zu ergänzen.


Andreas Betschart


Handlung und Personen sind frei erfunden. Sollte es trotzdem Übereinstimmungen zu lebenden oder verblichenen Personen geben, so würden diese auf jenen Zufällen beruhen, die das Leben so vorgesehen hat.


„Das Vorurteil ist die hochnäsige Empfangsdame im Vorzimmer der Vernunft.“

— Karl Heinrich Waggerl

Ich streckte meine Hand aus: „Guten Morgen Frau Meierhans.“
Wie zum Schutz hielt Frau Meierhans ihre Handtasche vor ihre ausladende Brust. Ich schätzte Frau Meierhans auf 70 Jahre. Sie hatte sich herausgeputzt und trug ihre Haare hochgesteckt. Die Haare schimmerten silbergrau, beinahe schon bläulich. Noch nie hatte ich eine so voluminösen Haarpracht auf einem so kleinen Kopf gesehen. Frau Meierhans Kopf und Frisur erinnerte mich ungewollt an einen überdimensionierten Champignon. Frau Meierhans war klein und korpulent und trug ein fein kariertes, orangefarbenes Kostüm. Die rötliche Fassung ihrer Brille kontrastierte mit ihren bläulichen Haaren. Sie war stark geschminkt und eine Parfumwelle schwappte mir entgegen. Ein harziger Start, zumal ich rein gar nichts mit Parfum anfangen konnte.

Frau Meierhans atmete schwer. Ich vermutete vor Aufregung, denn die paar Treppenstufen zur Eingangstüre konnten das kaum bewirkt haben. Sie ergriff meine Hand und drückte sie kraftlos.

„Herr von Klarau, es ist mir eine Ehre“, sagte sie beinahe unhörbar und ergriff wieder mit beiden Händen ihre Handtasche und hielt sie sich vor die Brust.

Hinter ihr sah ich einen Mann eintreten. Er wartete. Ich nahm an, dass dies Herr Faltstein, ihr Vermieter war.

„Herr von Klarau, Faltstein, Franz Faltstein“, sagte er und streckt mir seine Hand entgegen.

„Ah, Herr Faltstein, schön, Sie persönlich kennenzulernen“, begrüsste ich ihn.

„Ich habe Frau Meierhans mit meinem Wagen mitgenommen. Sie fährt selber nicht Auto“, sagte er beinahe entschuldigend.

„Das ist nett von Ihnen Herr Faltstein. Wie geht es Ihnen?“

„Gut gut, danke der Nachfrage“, sagte Herr Faltstein.

„Schön, schön“, sagte ich und wandte mich schnell wieder Frau Meierhans zu.

Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht wiederholte, so wie es Herr Faltstein die ganze Zeit tat.

„Bitte nehmen Sie doch Platz“, ich zeigte mit einer einladenden Handbewegung auf die drei Sessel, die vor meinem Schreibtisch im Kaminzimmer aufgereiht waren und ging voraus.

Frau Meierhans lief in kleinen, wackligen Schritten zu den Sesseln vor meinem Schreibtisch. Ich stellte mich hinter einen Sessel und wartete, bis sie sich hinsetzte und half ihr dabei, den Sessel zurechtzurücken.

„Das ist aber aufmerksam, Herr von Klarau, wie ein Gentleman“, und hastig fügte sie hinzu, „ich habe von einem so edlen Herrn natürlich auch nichts anderes erwartet. Vielen Dank, das ist aber lieb!“

Frau Meierhans strahlte mich kurz über die Schulter an, bevor sie sich setzte.

Sie ruckelte noch ein wenig unruhig auf dem Sessel vor und zurück und blieb dann mit eng zusammengedrückten Beinen und durchgestrecktem Rücken auf der Kante des Sessels sitzen. Ihre Handtasche stelle sie sich auf die Knie und hielt sich weiter daran fest.

Herrn Faltstein bot ich einen weiteren Sessel an. Den Sessel in der Mitte liess ich frei für Frau Gökdan, die noch nicht erschienen war.

Herr Faltstein trug einen altmodischen, grauen Einreiher und eine überbreite Krawatte. Sie war grau wie sein Anzug. Ich hatte mit Herrn Faltstein erst zweimal telefoniert und hatte mir meine Vorstellungen gemacht, wie er wohl aussehen würde. Diesmal stimmten meine Vorstellungen mit der Realität erstaunlicherweise in vielen Punkten überein. Franz Faltstein hatte ein breites Gesicht, deutliche Nasolabialfalten und Hängebacken. Ein Doppelkinn komplettierte sein fülliges Gesicht. Er hatte einen perfekt von der Kopfhaut abgegrenzten Haarkranz. Kein graues Haar war zu sehen. Ich ging davon aus, dass er sich die Haare braun färbte, denn Herr Faltstein war 61 Jahre alt.

Ich offerierte Frau Meierhans und Herrn Faltstein ein Glas Wasser. Beide lehnten dankend ab. Da Frau Gökdan noch nicht eingetroffen war, führten wir zu Beginn ein belangloses Gespräch über das Wetter. Frau Meierhans erzählte von ihrem Unfall, den sie im Winter gehabt hatte. Sie war auf der Strasse ausgerutscht und hatte sich das Bein gebrochen.

„Wissen Sie Herr von Klarau, man wird auch nicht mehr jünger und die Knochen wachsen nicht mehr so schnell zusammen“, sagte sie.

„Sie sehen aber noch rüst…“, das Läuten der Türglocke unterbrach mich bei der Schmeichelei. Ich schaute auf die Uhr auf dem Computer-Bildschirm auf dem Tisch. Es war 08.20 Uhr. Den Besprechungstermin hatten wir auf 08.30 Uhr angesetzt. Frau Gökdan kam somit auch ein wenig früher zu unserem Mediationstermin.

Kurze Zeit drauf klopfte es an der Kaminzimmertüre und mein Schwiegervater Paul trat gefolgt von einer Frau ein. Frau Gökdan hatte bei unserem Telefongespräch erwähnt, dass sie alleine kommen würde.

Frau Gökdan war eine grossgewachsene, gertenschlanke Frau. Ich schätzte sie auf knapp 40 Jahre. Ihr nicht ganz schulterlanges, schwarzes Haar, trug sie als Bob. Ihre weisse kurzärmlige Bluse betonte die gebräunten Unterarme. Dazu trug sie einen anthrazitfarbenen Faltenrock, einen breiten schwarzen Gürtel mit einer wuchtigen Silberschnalle und bequeme schwarze Schuhe.

Ich stand auf und umrundete meinen Tisch, um sie zu begrüssen. Auch Herr Faltstein stand auf, während Frau Meierhans geschäftig in ihrer Tasche wühlte und Frau Gökdan keines Blickes würdigte.

„Ah Frau Gökdan, willkommen“, begrüsste ich sie und gab ihr die Hand.

„Bu konuyu sizinle görüşmeyi sabırsızlıkla bekliyorum“, sagte sie ernst und schüttelte meine Hand.

„Ich….“, war verunsichert. Sie konnte doch Deutsch? Oder hatte ich mit jemanden anderem aus der Familie gesprochen?

„Keine Angst, Herr von Klarau“, sagte sie lachend, in einem sehr verständlichen Deutsch, „Sie sollten doch wissen, dass ich auch sehr gut Deutsch spreche, schliesslich haben wir auch schon telefoniert. Was ich eben sinngemäss sagte: Ich freue mich darauf, diesen Sachverhalt mit Ihnen zu besprechen.“

Sie drehte sich zu Herrn Faltstein um.

„Herr Faltstein, schön Sie zu sehen“, sie schüttelte seine Hand. Sie wandte sich an Frau Meierhans, „Guten Tag Frau Meierhans. Es freut mich, auch Sie endlich zu treffen.“

Ganz langsam und prononciert, als ob sie mit einem begriffsstutzigen Kind sprechen würde, sagte Frau Meierhans: „Ah, Frau Nachbarin. Sie den Weg gefunden haben?“

Frau Gökdan lachte: „Frau Meierhans, ich kann sprechen gut Deutsch, Sie können mit Sprechen mir in ihres normales Sprach.“

Frau Meierhans schaute sie irritiert an: „Wie bitte?“

„Das war nicht nett von mir, entschuldigen Sie, ich habe mir einen kleinen Scherz erlaubt“, sagte Frau Gökdan, „leider hatten wir noch nie Gelegenheit, uns persönlich zu sprechen, Frau Meierhans. Für nicht mal ein ‚Hallo‘ im Treppenhaus hat es bis anhin gereicht. Eigentlich erstaunlich. Wir wohnen bereits ein Jahr im gleichen Wohnblock. Schade. Ich habe ein paarmal versucht, mich vorzustellen. Wahrscheinlich waren Sie aber jeweils nicht zu Haus, als ich klingelte.“

„Ach?“ sagte Frau Meierhans bloss und zog eine Augenbraue hoch.

„Bitte nehmen Sie doch Platz Frau Gökdan“ sagte ich und zeigte auf den mittleren der im Halbrund stehenden Sessel.

Sie nahm Platz. Herr Faltstein und ich setzten uns auch.

Nun waren wir komplett.

Vor gut einem halben Jahr hatte ich das erste Mal mit den anwesenden Parteien telefoniert. Dazumal hatte mich Franz Faltstein kontaktiert. Er war der Vermieter der Wohnungen, in denen unter anderem Frau Meierhans und die Familie Gökdan wohnten. Aufgrund der Beschwerden von Frau Meierhans über den Lärm und das Verhalten der Familie Gökdan, hatte Herr Faltstein der Familie Gökdan mit der Kündigung gedroht. Frau Gökdan hatte daraufhin Herrn Faltstein unmissverständlich dargelegt, dass sie eine solche Kündigung als unangemessen betrachtete und dagegen vorgehen würde.

Meine telefonischen Abklärungen hatten dazumal ergeben, dass lediglich Frau Meierhans einen Zwist mit der Familie Gökdan hatte. Weitere Mieter waren nicht involviert. Herr Faltstein hatte zugegeben, mit der angedrohten Kündigung voreilig gehandelt zu haben. Ihm war erst nach dem Telefongespräch mit mir aufgefallen, dass er selbst gar kein Problem mit der Familie Gökdan hatte.

Ich schlug ihm vor, anstelle einer zuerst angedachten Mediation zwischen der Familie Gökdan und ihm, doch besser eine Mediation zwischen Frau Meierhans und der Familie Gökdan anzusetzen. Wir sollten versuchen, zwischen diesen Nachbarn zu vermitteln. Er hatte dankbar zugestimmt. Er konnte auch Frau Meierhans überzeugen, an einer solchen Mediation teilzunehmen. Ausschlaggebend war gewesen, als sie gehört hatte, dass der Herr von Klarau, dieser Adelsherr, die Vermittlung übernehmen würde. Ich wusste nicht, was sie sich vorstellte, aber offenbar setzte sie mich auf eine Stufe eines Mitgliedes der Königshäuser, über deren Leben sie bestimmt in den einschlägigen Illustrierten las. Dabei hatte ich lediglich den Namen meiner Frau angenommen.

Leider konnte die Mediation, die zu Jahresbeginn angesetzt war, nicht durchgeführt werden. Der Unfall von Frau Meierhans im Dezember hatte dies verunmöglicht. An eine Mediation war dazumal vorerst nicht mehr zu denken. Keine der Parteien war offenbar so unter Druck, dass der Konflikt unmittelbar mit Hilfe einer Mediation angegangen werden musste. So hatten wir die Mediation auf unbestimmte Zeit vertagt. Als ich lange Zeit nichts mehr von den Parteien hörte, ging ich davon aus, dass sich das Ganze wundersam eingerenkt hätte und eine Mediation nicht mehr notwendig sein würde. Vor gut drei Wochen hatte mich Herr Faltstein jedoch wieder angerufen und den Fall in Erinnerung gerufen. Offenbar hatte sich Frau Meierhans einmal mehr über den Lärm der Familien Gökdan beschwert und Herrn Faltstein kontaktiert.

Ich machte die übliche Eröffnung und erklärte den drei Anwesenden den Ablauf der Mediation und versicherte mich nochmals, dass alle auch mitmachen wollten.

Frau Gökdan meinte: „Ich finde das gut, wenn man miteinander spricht. Bis anhin hatte ich ja diesbezüglich keine Möglichkeiten. Das gibt mir die Chance zu erfahren, wann und wo genau meine Jungs über die Stränge schlagen und darauf zu reagieren“, und direkt an Frau Meierhans gerichtet, „Wissen Sie Frau Meierhans, ich habe keine Vorstellung, was sie konkret stört. Ich habe nur mal was gehört, dass meine 3 Jungs im Treppenhaus zu laut gewesen sein sollten und dass sie auch ihre Fahrräder irgendwann nicht ordentlich hingestellt hatten. Also ich möchte das schon konkret wissen, denn es ist mir sehr wichtig, dass sie sich ordentlich benehmen, glauben Sie mir.“ Sie sagte dies mit Nachdruck.

«Danke Frau Gökdan für das Angebot an Frau Meierhans, den Sachverhalt zu erläutern. Ist es für Sie alle ok, wenn wir zuerst unsere Rollen bei dieser Mediation klären und wir dann in die Themen eintauchen?».

Ich sah ein allgemeines Nicken.

«Meine Rolle als Mediator haben ich Ihnen allen während unserem Telefonat erläutert. Sie Frau Meierhans und Sie Frau Gökdan vertreten Ihre Positionen und erläutern Ihre Interessen.

Ich richtete das Wort an Herrn Faltstein: „Können Sie bitte den Damen noch Ihre eigene Rolle in dieser Mediation erläutern Herr Faltstein.“

Herr Faltstein sagte mit einer nervösen Stimme: „Gut, gut, ja mache ich. Also, wissen Sie meine Damen, ich bin hier, in Absprache mit Herrn von Klarau, als Zuhörer oder so. Ich…ähm…halte mich mal zurück. Ich unterstütze diesen Prozess, ich finde das eine gute Sache. Daher habe ich das auch vorgeschlagen, müssen Sie wissen. Ich habe gut Erfahrungen gemacht. Also ich bin da nicht Partei, müssen Sie wissen.“

„Sie haben mir aber immer versichert, dass Sie mich verstehen, Herr Faltstein“, sagte Frau Meierhans mit empörter Stimme, „Sie haben gesagt, Sie werden für eine Lösung sorgen. Sie haben gesagt jedes Problem hat eine Lösung!“

„Ähm…ja, doch, ja…das ist schon so und daher sind wir hier, da ich an eine Lösung glaube“, er schaute mehr Frau Gökdan als Frau Meierhans an und suchte dann meinen Blick.

Ich wandte mich in Richtung Frau Meierhans: „Nun, Frau Meierhans, danke für das Stichwort. Welche Probleme sprechen Sie an? Bitte sagen Sie einfach mal frisch von der Leber weg, was sie beschäftigt. Das interessiert mich wirklich.“

Ich nickte ihr aufmunternd zu.

Sie hielt sich an ihrer Tasche fest und schaute rasch rüber zu Frau Gökdan, als ob sie sich versichern wollte, dass der Abstand auch gross genug war.

„Wenn Sie meinen, Herr von Klarau. Wissen Sie, ich habe ja sonst nichts gegen Ausländer“, begann Frau Meierhans zögerlich, „aber wer würde es einem verübeln, wenn jemand Nachbarn hat, die sich nicht an die Gepflogenheiten des Landes halten und daher Probleme bereiten? Ich meine, ich lese immer wieder in der Zeitung über diese Leute. Gerade gestern war in meiner Tageszeitung ‚Aug am Abend‘ wieder eine Meldung, wo eine ältere Frau in ihrer Wohnung überfallen wurde und wie kann es anders sein, auch da waren es irgendwelche Ausländer. Sie müssen zugeben, die Zeitungen sind voll davon und dann muss doch auch was dran sein. Meinen Sie nicht auch? Die würden das ja sonst auch nicht schreiben. Man kann nicht vorsichtig genug sein heutzutage, oder? Ich kann mich noch erinnern, als wir früher die Wohnungstüren nie abgeschlossen haben, stellen Sie sich das vor! Können Sie sich das heute noch vorstellen?“

Sie schaute mich herausfordernd an und fuhr fort, “gut, Sie sind ja von hier, Herr von Klarau, Sie verstehen mich sicher. Und diese Gewalttätigkeit dieser Frauen und Männer! Ich meine, es sind ja nicht mal mehr nur die Männer! Ich frage Sie, was ist hier los? Selbst diese ausländischen Frauen sind offenbar gewaltbereit. Da werden gleich die Fäuste genommen und Messer und diese Maschinenpistolen! Nur mal anschauen und schon wird man umgebracht».

Sie seufzte tief, «Ich war letzthin im Bus, da sass ich auf meinem Platz, wie immer, und da hat mich so ein ausländisch aussehender Jugendlicher beobachtet. Ich wusste, der wollte an mein Geld. Es ist dann nichts passiert, aber auch nur, weil ich zwei Stationen vor meiner Zielstation ausgestiegen bin. Zum Glück, der hätte mich doch abgepasst».

Frau Meierhans nestelte gedankenverloren an den Henkeln ihrer Tasche.

«Wissen Sie, ich bin aufmerksamer geworden, seit so viel passiert ist. Sie pflichten mir sicher bei, man kann nicht vorsichtig genug sein. Ich meine, ich mache den Ausländern ja auch keinen Vorwurf, die kennen das ja auch nicht anders von dort, wo sie herkommen. Das verstehe ich schon, die wachsen halt nicht so mit einem Rechtverständnis auf wie wir, und da ist halt sowas noch an der Tagesordnung. Verstehen Sie? Das kann ja nicht gut gehen, die sind einfach noch ein wenig zurück, so kulturell und ähnlich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht, ich habe ja persönlich nichts gegen Ausländer.“

Sie machte eine Pause und schaute mich an.

Ich war baff.

Das war eine geballte Ladung von Ängsten, die Frau Meierhans teilte.

Ich wollte das Gesagte quittieren: „Verstehe ich Sie richtig, Frau Meierha….“, als sie mich unterbrach.

 „Ach ja, was ich noch sagen wollte: Der Respekt, der ist weg. Alles ist so unpersönlich. Im Treppenhaus vielleicht mal ‚Hallo‘, das war’s dann auch schon. Aber mal fragen, wie’s einem so geht? Weit gefehlt. Ich finde das schade, müssen Sie wissen. Die Fahrstuhltüre offenhalten? Weit gefehlt. Und im Bus bieten die Jungen einem auch keinen Platz mehr an.“

„Danke für die Präzisierungen Frau Meierhans“, sagte ich, „Sie haben sehr treffend beschrieben, was sie beschäftigt. Das hilft.“

Da kam ja einiges zusammen.

Ganz vorurteilsfrei war Frau Meierhans offensichtlich nicht. Sie hatte sicher schlechte Erfahrungen gemacht, aber ihre Meinung war massgeblich geprägt von den Geschichten, über die sie lass oder die sie im Fernsehen sah. Ausser dem Ärger, den ihr die Familie Gökdal verursachte, schien sie bis anhin keine wirklichen Berührungspunkte mit ‚Ausländern‘ gehabt zu haben. Das war aber nur die eine Hälfte der Geschichte. Frau Meierhans fehlte wahrscheinlich die tägliche Wertschätzung.

Wer unschuldig ist, werfe den ersten Stein. Auch ich hatte meine Vorurteile und die schlugen auch wieder gnadenlos zu, als ich Frau Meierhans sah und sie hörte. Ich wollte sie nicht verurteilen, das wäre unprofessionell und unfair gewesen. Es war ihre Wahrnehmung. Sie sah die Welt durch ihre Brille und sie hatte Ängste. Es war auch nicht meine Aufgabe, auf die Weltanschauung von Frau Meierhans Einfluss zu nehmen. Unberührt liessen mich die Aussagen jedoch nicht.

Frau Meierhans hatte viel über sich offenbart. Es ging für mich nicht darum, Ihre Ansichten zu beurteilen. Ich hatte die Parteien zu unterstützen, ihren Konflikt zu lösen. Meine Position hatte neutral zu sein. Selbstverständlich hatte ich meine Sichten und Meinungen, jedoch ging es in einer Mediation nicht um diese. Es half bereits, dass ich mir bewusst war, welche Reaktionen gewisse Haltungen und Verhalten bei mir auslösten. Wenn mir das gelang, konnte ich diese Gefühle und Gedanken auf die Seite schieben. Die Mediation konnte ich dann wieder in der Haltung der Allparteilichkeit weiterführen. Dies war nicht immer ein leichtes Unterfangen. Ich hatte Mediationen schon abgerochen, weil ich gemerkt hatte, dass ich nicht mehr neutral bleiben konnte.

Mit den Informationen von Frau Meierhans konnten wir in der Mediation arbeiten. Es zeigte sich jetzt schon deutlich, welche Interessen und Wünsche hinter den Wahrnehmungen und Bedenken von Frau Meierhans lagen.

«Ich verstehe Sie», sagte Frau Gökdan verständnisvoll.

Wir alle schauten Frau Gökdan an.

Frau Meierhans klappte die Kinnlade herunter.

Wir ahnten wohl alle, in welche Richtung sich die Mediation entwickeln würde.

(Ende des 5. Teils).

Besondere Herausforderungen sind kein Hindernis für den Erfolg einer Mediation

Kürzlich war ich als Mediatorin an einer Mediationssitzung, die einige Besonderheiten aufwies, involviert. 

Bei dieser Business-to-Business Mediation handelte es sich um eine Mediation zwischen zwei Teams verschiedener Kulturen, die bei der Zusammenarbeit auf einige Schwierigkeiten gestossen waren. Der Konflikt drohte den Erfolg des gesamten Projektes zu gefährden. Bei den Ursachen des Konfliktes ging es um bei interkulturellen Mediationen nicht unbekannte Aspekte. So bestanden massive Unterschiede in der Kommunikation, im Management und insbesondere auch in der Handhabung von Beziehungen, in denen z.B. die hierarchische Ordnung sehr unterschiedlich bewertet wurde.

Beide Parteien waren mit mehreren Teilnehmern vertreten, was an und für sich noch keine Besonderheit darstellt. Jedoch – als ob die interkulturellen Aspekte mich als Mediatorin nicht schon genug gefordert hätten – kam hinzu, dass nicht alle Individuen physisch im Raum anwesend waren. Die Mediation war also weder eine physische Veranstaltung noch rein online, sondern eine hybride Mediation. Dies führte zu technischen Herausforderungen, da die Kamera unmöglich alle im Raum Anwesenden gleichzeitig in Grossbild auf den Bildschirm spielen, noch die aufgehängten Flipcharts zur Themensammlung für alle gut sichtbar einblenden konnten. Der geplante technische Setup wäre eigentlich so gewesen, dass ein Computer als ‘Whiteboard’, also als Tafel, genutzt werden könnte; wie so oft bei der Technik, klappte das aber leider nicht wie gewünscht. 

Als weitere Erschwernis kam hinzu, dass alle physisch Anwesenden gezwungen waren, Maske zu tragen – Corona sei Dank. Dies wiederum erschwerte das Vermitteln der nonverbalen Hinweise, die gerade in dieser internationalen Konfiguration mit unterschiedlichen Muttersprachen und entsprechenden verbalen Hürden umso wichtiger gewesen wären. 

Allen diesen Hürden zum Trotz konnten wir nach mehreren Stunden intensiver Verhandlung die Mediation erfolgreich weiterbringen und der Lösung des Konfliktes und damit dem Projekterfolg einen Schritt näherkommen. 

Was habe ich daraus gelernt? Solange der Prozess stringent durchgehalten, die Beteiligten geführt und die Themen und Probleme offen auf den Tisch gelegt werden, die Parteien nicht an ihren Positionen festhalten, sondern wir uns auf die (gemeinsamen) Interessen fokussieren können, kann eine Mediation auch unter ‘widrigen’ Umständen erfolgreich sein. 

Probieren Sie es aus!

Keine Angst vor Mediation!

Glücklicherweise steigt das Bewusstsein dafür, dass Mediation ein valabler und zielführender Ansatz zur Konfliktlösung ist, in unserer Gesellschaft langsam an. Auch die kreativen Lösungen, die damit möglich werden, führen dazu, dass Mediation vermehrt in Erwägung gezogen wird.  

Allerdings haben auch heute noch viele Menschen Bedenken, eine Mediation auszuprobieren und dies oft, weil sie nicht wissen, was da eigentlich so abläuft.

Was also passiert in einer Mediationssitzung?

Nach den Vorbereitungen, die schliesslich zur Mediation führen (Initiierung, Erstkontakt, Vorbereitung) findet schliesslich am vereinbarten Termin die Mediationssitzung statt.

Idealerweise nimmt daran pro Partei mindestens eine Person, die die Fakten kennt, teil. Selbstverständlich können auch mehrere Personen pro Partei anwesend sein, was besonders bei Sitzungen im Rahmen der Commercial Mediation oft der Fall ist. Mindestens eine der anwesenden Personen muss berechtigt sein, eine verbindliche Vereinbarung / Lösung einzugehen und diese auch gültig zu unterschreiben. 

Es kann nützlich sein, wenn die Parteien ihre Anwälte[1] ebenfalls zu dieser Sitzung einladen, dies ist jedoch nicht zwingend. Manchmal kann es hilfreich sein, wenn sich die Parteien ohne rechtlichen Beistand unterhalten und so zu kreativen Lösungen kommen. 

Die Sitzung findet idealerweise in einem Raum statt, der freundlich, aber nicht allzu gemütlich ist. Schliesslich geht es darum, den Konflikt möglichst effizient zu regeln. Sollte es den Parteien nicht möglich sein, sich gemeinsam in einem Zimmer aufzuhalten, können sie auch getrennt werden – der Mediator pendelt dann zwischen den Räumen, in denen sich die Parteien befinden hin und her. Dies wird als ‘Shuttle Mediation’ bezeichnet. Hierbei ist es für den Vertrauensaufbau (und damit den Erfolg der Mediation) äusserst wichtig, dass der Mediator auf die Vertraulichkeit achtet und auch den Parteien gegenüber kommuniziert, dass nichts, was nicht explizit erlaubt wurde, im anderen Raum wiederholt wird. 

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Zu Beginn der Mediationssitzung stellen die Vertreter der Parteien kurz ihren ‘Fall’ vor und erklären, wie es zum Konflikt gekommen ist und worum es beim Konflikt eigentlich – aus ihrer Sicht – geht. Der Mediator fasst nach jedem Statement kurz zusammen, was er gehört hat und klärt eventuelle Verständnisfragen direkt.

Danach geht es darum, dass die Parteien gemeinsam (!) alle Themen auflisten, die im Konflikt geklärt werden sollen. Dabei ist die Reihenfolge und Gewichtung nicht relevant – es darf ‘ge-brain-stormed’ werden. 

Im nächsten Schritt moderiert der Mediator die Diskussion – dabei werden in Absprache mit den Parteien alle Themen nacheinander besprochen, um der Sache wirklich auf den Grund zu gehen. Die Idee ist hier, von den oft verhärteten Positionen (was explizit verlangt wird) zu den Interessen (worum geht es eigentlich wirklich) zu gelangen. Es ist wichtig, dass die Parteien am Ende dieser Phase der Meinung sind, dass ALLE relevanten Themen genügend besprochen wurden. 

 Die Frage ‘Warum sitzen wir hier?’ ist in diesen Phasen zentral.

Erst dann werden Optionen generiert, die für alle Parteien akzeptabel sind. Nur mit als fair empfundenen Optionen wird es möglich sein, sich auf eine zu einigen und so eine Lösung zu finden. 

 Hier geht es um die Fragen ‘Was ist möglich?’ sowie ‘Was ist fair?’. 

Einigen sich die Parteien dann auf eine Option, sollte diese mit realistischen Alternativen verglichen werden. 

 ‘Was passiert wenn wir uns nicht einigen?’

In allen bisherigen Phasen der Mediation kann es sinnvoll sein, ein oder mehrere private Einzelgespräche (sog. Caucus’) abzuhalten, in dem der Mediator jeweils sich mit nur einer Partei – wiederum vertraulich – unterhält. Der Mediator achtet dabei auf eine ‘gerechte’ zeitliche Verteilung, damit alle Parteien gleichberechtigt gehört werden können. 

Erst wenn sich die Parteien auf eine Option geeinigt und mit den Alternativen verglichen haben, wird die Lösung schriftlich festgehalten und noch in der Sitzung unterschreiben. Hier geht es darum die Vereinbarung klar und verständlich zu formulieren. 

 Die Frage lautet hier ‘Was wollen wir wie geregelt haben?’.

Falls Anwälte anwesend sind, können diese beim Aufsetzen der Vereinbarung helfen. Ansonsten einigen sich die Parteien auf die Formulierungen. Zur Durchsetzbarkeit des Agreements gibt es nach der Mediation die Möglichkeit, die Lösung z. B. öffentlich beurkunden zu lassen; die Erfahrung zeigt jedoch, dass bereits der Prozess der gemeinsamen Lösungsfindung sowie das schriftliche Festhalten und die Unterschriften oft dazu führen, dass die Parteien sich an die Vereinbarung halten. Auf jeden Fall handelt es sich bei der Vereinbarung um einen Vertrag zwischen den Parteien, der – bei Nichteinhaltung – eingeklagt werden kann.

Meine Erfahrung zeigt, dass eine Mediation oft in einer einzigen Sitzung abgeschlossen werden kann, sodass keine weiteren Sitzungen notwendig sind. Falls notwending, werden weitere Sitzungstermine geplant. 

Ich hoffe nun, dass die Unsicherheit, was in einer Mediation eigentlich so ‘abläuft’, etwas beseitigt werden konnte. Bei weiteren Fragen zur Klärung stehen ich und meine Kollegen selbstverständlich gerne zur Verfügung. 


[1] Im Artikel ist immer auch die weibliche Form gemeint.

Der Chef* als Mediator – kann das funktionieren?

Immer mehr Firmen werden sich bewusst, dass ein positiver, aktiver Umgang mit Konflikten für den nachhaltigen Unternehmenserfolg wichtig ist. Es bringt nichts, Konflikte unter den Tisch zu kehren und zu hoffen, dass sie schon von alleine wieder weg gehen. Eine solche Haltung wirkt sich nicht nur negativ auf das Betriebsklima, sondern auch auf die Psyche der Mitarbeiter aus. 

Konflikte sind normal, allgegenwärtig, KEIN Zeichen von Schwäche oder Unfähigkeit und können sogar zu Verbesserungen im Umgang miteinander, der Zufriedenheit aller Beteiligten und der Produktivität der Mitarbeiter und damit des Unternehmensergebnisses führen. Aber eben, dazu müssen sie aktiv angegangen werden.

Viele Firmen beschäftigen sich zurzeit damit, ihre Mitarbeiter im Umgang mit Konflikten zu schulen und bieten Konflikttrainings an. Dabei werden sie sich auch bewusst, dass das Beiziehen eines externen Mediators vorteilhaft sein kann. Wie gut aber funktioniert es, wenn die Erwartung ist, dass der Teamleiter oder die Geschäftsleitung selbst als Konfliktlöser bzw. Vermittler fungieren?

Vorteile des Chefs als Mediator sind, dass er

  • Die Mitarbeiter kennt
  • Die Firmenkultur versteht
  • Bereits vor Ort und verfügbar ist

Nachteile sind, dass er

  • Die Mitarbeiter kennt
  • Die Firmenkultur versteht
  • Bereits vor Ort und verfügbar ist

Aber Spass beiseite. Selbstverständlich gibt es immer zwei Seiten der Medaille. Einerseits hilft es bestimmt, die Situation zu kennen und einschätzen zu können. Andererseits kann es aber auch Nachteile haben, dann nämlich, wenn der Chef selbst auf die eine oder andere Art und Weise bereits in den Konflikt involviert ist, eine Beziehung (gut oder schlecht) zu einer der Konfliktparteien hat und sich so (unbewusst) parteiisch verhält, oder sich seine Konfliktkultur (oder sogar die des Unternehmens) nicht mit dem mediativen Ansatz – also den Konflikt aktiv anzugehen – vereinbaren lässt. Es kommt also auf die Situation an, ob die interne Konfliktlösung funktioniert.

Voraussetzung, dass der ‘Chef als Mediator’ Ansatz funktionieren kann, ist sicher die Grundeinstellung der entsprechenden Person sowie die Kultur der Firma. Ebenso wichtig ist die Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber sowie das Interesse an ihnen. Weiter ist eine Offenheit anderen Denkweisen gegenüber aber auch Neugier auf (teilweise) ungewöhnliche Lösungen äusserst wichtig. Unabdingbar ist die Bereitschaft zuzuhören und so Konflikte auch frühzeitig zu erkennen und anzugehen, nicht erst, wenn alles schon eskaliert ist – also auch ein gewisses Mass an Emotionaler Intelligenz (EI) ist hilfreich. 

Sind diese Grundvoraussetzungen gegeben, können konkrete Tipps und Werkzeuge, die z.B. in einem Konflikttraining vermittelt werden sowie Teamentwicklungsmassnahmen dazu beitragen, dass der Ansatz ‘Chef als Mediator’ funktionieren kann. Einblick in den Prozess und Ansatz der interessenbasierten Mediation sind auf jeden Fall hilfreich, egal, in welchem Umfeld die Konfliktlösung angesiedelt ist. 

Im Endeffekt läuft ein erfolgreicher Ansatz auf die drei Ps hinaus: Personen – Prozess – Problemlösung! 

Unterstützend zur innerbetrieblichen Konfliktlösungsorganisation sollte auf jeden Fall der Zugang zu einer unabhängigen Beratungsstelle als organisatorische Massnahme in Erwägung gezogen werden – wenn es intern mal wirklich nicht weitergeht. 

Kontaktieren Sie uns gerne, um über diese Möglichkeit zu sprechen.

*In vorliegendem Text ist immer die m/w/d Variante gemeint.

Warum es so wichtig ist, als Mediator zu den Konfliktparteien eine gute ‘Beziehung’ aufzubauen.

Bei der Mediation dreht sich vieles um Gefühle und Emotionen. Darum ist es als Mediator[1] essenziell, sich auf die Menschen, die ihm in der Mediation gegenübersitzen einzulassen und sich nicht nur auf Fakten zu beschränken. 

Unser Umfeld ist heute mehr denn je von unterschiedlichen Kulturen, Ansichten und Werten geprägt. Auch in der Schweiz spielen internationale Beziehungen sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld eine grosse Rolle – der Nachbar kommt aus einem anderen Land, die Sprache, Kultur und das Wertesystem sind weitgehend unbekannt. Der Mitarbeiter oder Geschäftspartner hat eine andere Hautfarbe und kommt aus einem Land, das man selbst nur von Bildern oder aus den Nachrichten kennt. 

Obgleich dies eine grosse Bereicherung für die Menschheit ist (davon bin zumindest ich voll überzeugt), kann dies zu Konflikten führen. Konflikte beruhen oft auf unterschiedlichen Werten, Vorstellungen und Wünschen und auch das Kommunikationsverhalten der Kulturen kann sich stark unterscheiden. 

Als Mediator bin ich konstant mit unterschiedlichen Werten und Interessen konfrontiert. Umso mehr, wenn es sich um Parteien unterschiedlicher kultureller Hintergründe handelt. Ich muss daher versuchen mich auf diese Unterschiede einzulassen (nicht zwingend sie zu verstehen) und damit den Parteien die Chance geben, tatsächlich ‘gehört’ zu werden. Hinzu kommen meine eigene Kultur und Werte, die meine Wahrnehmung ebenfalls beeinflussen. 

Wie also kann ich mich auf diese Unterschiede einlassen? Das Zauberwort lautet ‘Beziehung’ oder ‘Verhältnis’ aufbauen (englisch ‘to build rapport’). Damit ist gemeint, dass man eine Verbindung zum Gegenüber schafft, die es allen Parteien erlaubt, sich offen und ehrlich in der Mediation zu bewegen. Wenn ich mein Gegenüber als interessanten, gleichberechtigten Menschen wahrnehme, bin ich bereit, ihm zuzuhören und zu akzeptieren, dass auch seine Werte und Interessen eine Berechtigung haben und wertvoll sind. Nur wenn ich als Mediator auf jede Partei eingehe, kann auch die andere Konfliktpartei einen Zugang zum Gegenüber finden, ihr den notwendigen Respekt zollen und so einer Konfliktlösung näherkommen. 

Wie aber schaffe ich es als Mediator, diese ‘Beziehung’ aufzubauen?  Es fängt damit an, dass ich aktiv zuhöre und Interesse zeige. Dies geschieht durch Fragestellungen, zu einem grossen Teil aber auch durch nonverbale Kommunikation – und oft sogar durch Schweigen. Manchmal hilft es, den Prozess der Mediation etwas zu verlangsamen, um sicherzustellen, dass alles verstanden wurde. Dies nennt man ‘Entschleunigung’. 

Zu jeder Zeit muss der Mediator unbedingt neutral bleiben, alle Parteien gleichberechtigt und somit keine Seite bevorzugt behandeln. Offenheit und Ehrlichkeit zwischen den Parteien ist wichtig – ebenso wichtig für eine Einigung ist es aber auch, dass der Mediator aufrichtig auf die Interessen aller Mediationsparteien ein- und unterstützend vorgeht. 

Erfahrung hilft dem Mediator beim Aufbau von ‘Beziehungen’ zu den Parteien. Es kann aber auch nützlich sein, sich insbesondere im Thema ‘interkulturelle Kompetenz’ weiterzuentwickeln und Wissen aufzubauen.  

Der Aufbau der ‘Beziehungen’ erleichtert den Mediationsprozess ungemein und verbessert die Chance, zu einer Lösung zu kommen – auch wenn es keine Garantie dafür gibt. Es lohnt sich auf jeden Fall, Mediation also Konfliktlösungsinstrument eine Chance zu geben. 

Für einen ersten Kontakt kommen Sie gerne auf mich zu (+41 079 667 38 54 oder beatrice.herrmann@shiok.ch).

Dr. Beatrice Herrmann ist Unternehmensberaterin, Mediatorin und Executive Coach (https://www.linkedin.com/in/dr-beatrice-herrmann-275698/)


[1] Im Artikel ist immer auch die weibliche Form gemeint. 

Agilität im Lösen von Konflikten – Die Wirtschafts-mediation hilft

Das IT Projekt mit dem externen Partner ist erfolgreich gestartet. Es sind alle Parameter auf eine gemeinsame erfolgreiche Umsetzung des Projekts gestellt. Ursplötzlich stockt das Projekt. Unerwartete Schwierigkeiten blockieren die geplante Lösung. Die Spannungen im Projektteam nehmen zu. Beide Seiten stellen erstmal sicher: Sie trifft keine Schuld!

Kommt Ihnen das bekannt vor?

Die geplante agile Vorgehensweise hilft nicht. Die Frustration bei allen Projektpartnern ist gross. Die erste Reaktion ist häufig die Androhung von finanziellen Konsequenzen um die eigene Position durchzusetzen. Damit verhärtet sich das Zusammenleben im Projektalltag immer mehr. Die Frustration steigt und die Androhung von juristischen Schritten ist der emotionale nächste Schritt. Damit rückt der abgeschlossene Vertrag in den Mittelpunkt und damit die Beweisbarkeit der Schuldfrage.

Gerade bei IT Projekten ist dieser Nachweis und die eindeutige Schuldzuweisungen extrem schwierig und gelingt in den seltensten Fällen. Falls der juristische Weg oder auch nur die Androhung von finanziellen Sanktionen gegangen wird, stockt das Projekt! Die versprochene Lieferung kann den Termin nicht halten und das gesamte Vorhaben kommt ins Wanken.

Vielen Entscheidungsträgern ist die Möglichkeit und Wirksamkeit eines Mediationsprozess viel zu wenig bekannt. Dabei kann gerade die Wirtschaftsmediation helfen, die Agiltät eines Projektes zu unterstützen und die erforderliche Vertrauensbasis zu schaffen.

Die Wirtschaftsmediation ist dabei nicht ein Nachgeben, sondern die knallharte Kalkulation, welche Chancen habe ich in der Auseinanderstzung, um am besten an mein Ziel zu kommen. Bei Partner, die auch in Zukunft miteinander arbeiten wollen, ist die Wiederherstellung einer gemeinsamen Vertrauensbasis das A und O!.

Bei einer Auseinandersetzung, die keine weitere Perspektive aufzeigen sollen, bietet die Wirtschaftsmediation eine Möglichkeit. die gemeinsame Lösung selber zu steuern, sie zeitlich wie auch finanziell gestalten zu können. Häufig werden dann dort auch die verschiedenen Optionen, sprich die alternativen Lösungsansätze zu einer Einigung in der Mediation, gemeinsam erarbeitet.

Häufig bewirkt dies bei beiden Parteien eine viel realistischere Einschätzung der Möglichkeiten in einer juristischen Auseinandersetzung, aber auch die Option doch noch das gemeinsame Ziel mit der aktiven Mithilfe beider Parteien zu erreichen.

Die Basis eines agilen Vorgehens ist Vertrauen. Die Wirtschaftsmediation ist ein taugliches Mittel um Meinungsverschiedenheiten, schnell, effizient und kostengünstig zu lösen. Im Gegensatz zum Gerichtsverfahren haben dabei beide Parteien die Kontrolle und behalten den direkten Einfluss auf den Verlauf des Verfahrens, ganz im Gegensatz zu einer juristischen Auseinandersetzung!

Wirtschaftsmediation ist in jedem Fall ein Versuch wert, den man sich einfach mal trauen sollte!

Wirtschafts mediation, ist es ein Versuch wert?

Die Zusammenarbeit mit einer externen Firma ist heute aus unserem Wirtschaftsalltag nicht mehr wegzudenken. Die Spezialisierung wie auch die kostengünstige Zulieferung sind einige Gründe für dieses Vorgehen. Nach der anfänglichen Euphorie kann sich jedoch auch schnell eine gewisse Ernüchterung einstellen. Die erwarteten Kostenvorteile stellen sich nicht ein; der notwendige Koordinationsaufwand ist unterschätzt worden. Dazu sind häufig die Rahmenbedingungen in der Anfangsphase eher offen gestaltet. Die anfangs festgehaltenen Rahmenbedingungen lassen einiges an Interpretationsspielraum zu, zumindest stellen sich unterschiedliche Erwartungen der Vertragspartner ein!

Was können Sie machen um rechtzeitig den Erfolg des Projekts/Zusammenarbeit wieder auf Kurs zu bringen? Warten bis der Krug zerbrochen ist oder vorher das Gespräch suchen! Hier kann eine Wirtschaftsmediation mit einem unabhängigen Dritten einen wertvollen Beitrag leisten um die Kommunikationskanäle am Leben zu erhalten oder wieder zu öffnen.

Bereits bei im Vorfeld sollte das Thema Mediation einfliessen! Bei Vertragsabschluss hilft es auch schweirige Projektsituation vorzusehen. Für diesen Fall ist es sehr hilfreich, eine Mediationsklausel im Vertragswerk einzufügen bevor eine der beiden Seiten den juristischen Weg einschlagen kann. Das bietet die Chance mit Hilfe eines neutralen Mediators mögliche Lösungsoptionen auszumachen und ein gemeinsamer Weg festzulegen.

Eine juristiache Auseinandersetzung ist damit immer noch möglich und die Diskussionen und Optionen einer Mediation können in einem spätren Prozess nicht als Beweise herangezogen werden. Desgleichen ist ein Mediator zum Stillschweigen verpflichtet und kann nach der schweizerischen ZPO nicht als Zeuge aufgerufen werden

Die Chance eine befriedigende und zeitnahe Lösung zu finden ist bei einer Mediation in Ihren Händen, im juristischen Umfeld wird dies ausserhalb ihres Kontrollbereichs gesteuert. Nutzen Sie diese Mögluchkeit!